top of page
Suche
  • AutorenbildJoachim Kleen

Ein bisschen Rosa steht allen Männern gut

Aktualisiert: 17. März



Die 1990er Jahre waren für schwule Männer ein Jahrzehnt der Befreiung. Ich kann mich gut erinnern, wie sich um mich herum immer mehr Männer (und Frauen) outeten. Bei manchen Männern hatte "man" es schon geahnt; andere hatten sich so gut versteckt, dass auch ich überrascht war.


Die große Welle der Befreiung fand durch unterschiedliche Aktionen ihren Durchbruch. Die ersten "Christopher-Street-Day's" wurden organisiert, Prominente zeigten sich endlich und insbesondere der Filmemacher Rosa von Praunheim ging damit an die Öffentlichkeit, dass er prominente Schauspieler oder Talkmaster ohne deren Zustimmung outete. Er hatte genug davon, das Homosexuelle diskriminiert und abgewertet wurden und ihre Sexualität verstecken mussten.


Ende der 1990er Jahre verliebte sich ein Mann in mich. Ich konnte diese Verliebtheit zwar nicht erwidern; die genseitige Sympathie war aber so groß, dass aus dieser Begegnung eine Freundschaft wurde. Entsprechend wuchs in dieser Zeit mein Bekanntenkreis um einige schwule Männer.


In gewisser Weise betrat ich damals eine exotische Welt; eine Parallelgesellschaft. Ich hatte plötzlich mit Männern zu tun, die einen großen Teil ihres Lebens hatten Versteck-spielen müssen: vor ihren Eltern, Kollegen, Freunden, Arbeitgebern. Also hatten sich diese Männer abseits der öffentlichen Wahrnehmung organisiert. Die Angst, entdeckt zu werden, von ihren Familien verstoßen zu werden, in Schule und am Arbeitsplatz gemobbt und diskriminiert zu werden, steckte ihnen durchaus noch in den Knochen. Ein jeder Einzelne von ihnen hatte großen Mut aufbringen müssen, endlich zu sich, seiner Sexualität und seinem Partner zu stehen. Gleichzeitig hatten diese Männer eine so tiefe und selbstverständliche Toleranz untereinander entwickelt, dass jeder Mann seine Persönlichkeit innerhalb der schwulen Gemeinschaft frei und vorurteilsfrei entfalten konnte.


Der stinknormale Verwaltungsfachangestellte, der Lederkerl mit Tatoos und durchtrainierten Oberarmen, der feminine Typ mit Vorliebe für Kleider, Röcke und Perücke; alle bildeten eine große Gemeinschaft der gegenseitigen Anerkennung und des Respekts.


Mir wurde klar, dass genau diese Attribute "uns" heterosexuellen Männern häufig fehlen. Wie sehr passen wir uns den Erwartungen anderer (auch Frauen) an. Wie oft sind wir feige, wenn es darum geht, zu unserer Meinung, unseren Überzeugungen und Lebensstil zu stehen. Wie oft werden Männer durch Männer abgewertet, wenn sie "nicht mitmachen", wie häufig beschämen Frauen Männer, wenn diese sich Ihnen in angemessener Weise nähern. Und wie oft ziehen Männer sich zurück, wenn ihre Bedürfnisse nicht respektiert und anerkannt werden.


Das ist es, was heterosexuelle Männer von schwulen Männern lernen können. Mutig zu sein, wenn es darum geht, eigene Bedürfnisse zu entdecken und zu formulieren. Grenzen zu setzen, wenn diese verletzt werden. Andere Männer in ihrer Haltung und ihrem Ausdruck zu respektieren. Nicht zulassen, dass andere Männer diskriminiert und abgewertet werden.


Das ist der Grund, warum allen Männern Rosa steht.


157 Ansichten3 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page